Frieden siegt immer

Komm und lass uns Krieg spielen!

 

„Boom! Boom! Boom!“, lachend spielt das Kind mit seinen Spielzeugsoldaten. Er ist aufgeregt, heute kommt sein großer Bruder zurück!

Er ist vor zwei Jahren der Armee beigetreten und vor einem Jahr zu einem Einsatz eingezogen worden. Doch heute würde er endlich wieder zurückkommen. Zwar nur für ein paar Wochen, aber es wäre genug Zeit, um mit ihm zuspielen.

Wie früher.

Es war nicht das erste Mal, dass sein großer Bruder sie besuchte, aber das letzte Mal war schon so lange her!

Aufgeregt rennt der Junge durch ihr kleines Haus, die Schlacht der kleinen Figuren findet überall statt. Die Figuren sehen allesamt gleich aus, einzig und allein die Posen unterscheiden sich. Er hat Figuren zweier unterschiedlicher Farben, sonst würde die Schlacht ja kein Sinn ergeben. Sie sehen schon sehr abgenutzt aus, manchen fehlt sogar schon der Arm. Aber das kümmert ihn nicht, er sieht oft ältere Männer, welchen ein Arm fehlt.

Trotzdem besitzt er eine Figur, welche noch keinen einzigen Kratzer hat. Nicht nur das macht sie besonders.

Er hatte sie einst in einem Spielzeugladen gesehen und wusste von Anfang an, dass er sie brauchte. Sie sieht anders aus, hat braune Haare, welche sorgfältig in das Metall graviert wurden, genauso sorgfältig wie jeder andere Zug. Vom Gesicht bis hin zur Waffe und den Falten in der Uniform.

Mit ein wenig Fantasie sieht die Figur aus wie sein großer Bruder.

Es war das erste Mal, dass der Junge für sein Geld gearbeitet hatte, nach 2 Wochen hatte er damals die Hälfte zusammen, es war das erste Mal, dass sein Bruder wieder zu Besuch kam, er war schon zwei Monate weg.

Er war damals genauso aufgeregt und hatte jede Geschichte, welche ihm aufgetischt wurde mit großer Freude und Begeisterung verschlungen. Sie hatten jede Minute genutzt, um Krieg zu spielen.

Als sein Bruder von der Figur erfahren hat, hatte er sein erstes Gehalt genommen und die kleine Figur für sein Bruder erworben. Der jüngere konnte so sein eigenverdientes Geld, dazu verwenden richtiges Essen zu kaufen.

 

Krieg.

Von den Menschen gefürchtet und doch allgegenwärtig.

 

Wie kann es sein, dass jeder in der Theorie sagt, er wolle keinen Krieg, aber zur selben Zeit an einem anderen Ort einer ausgefochten wird?

Wie kommt es, dass Menschen so von Hass zerfressen sind?

Laut Sigmund Freud ist die Aggression der Menschen die zweite Ursache für Verhaltensmuster und oft auch der Grund für diese. Also frage ich mich: Steckt so viel Aggression in uns? Menschen handeln, wenn sie wütend sind, sehr impulsiv und schlagen oft um sich. Daher: Wenn die falsche Person in der falschen Position wütend wird, kann ein Krieg entstehen.

Das ergibt Sinn, auch wenn ich nicht verstehen kann, wie jemand so wütend werden kann, um ein Krieg zu beginnen und in Kauf zu nehmen, dass Milliarden von Leben somit den sicheren Tod finden. Unschuldige Leben, welche dem Krieg noch nicht mal zustimmen können.

Wenn also Aggressionen der Grund für ein Krieg ist, wie kommt es dann, dass trotzdem tausende Menschen mitmachen, ohne das zu hinterfragen? Hier könnte vielleicht die erste Ursache für Verhaltensweisen der Grund sein. Liebe.

Menschen sind sehr leicht zu manipulieren, wenn man es schafft, sie emotional von sich abhängig zu machen. Sobald man genügend Menschen an sich gebunden hat, werden sie alles für einen machen und immer mehr Menschen mitreißen, da sie auch diese Liebe, diese Anerkennung und dieses Gruppengefühl spüren wollen.

 

Es klingelt an der Haustüre, schnell schnappt sich der Junge seine Spielzeugpistole, welche er aus Stöcken aus dem Wald zusammengebastelt hat, und rennt in den Flur, welcher zur Haustüre führt.

Strahlend rennt er mit der falschen Waffe zu der Türe und öffnet sie.

Vor ihm steht ein ausgehungerter, blasser Mann, welcher nicht im Geringsten wie der große Bruder von damals aussieht.

Der Bruder, der ihn damals aus dem gefrorenen Teich gerettet und ihn nach Hause getragen hat, als er unvorsichtig auf dem gefrorenen Eis gelaufen und eingebrochen war. Die Uniform hängt dreckig und zerschlissene an ihm herunter.

So wie auch alles andere an ihm.

Wie erstarrt sieht der Junge zu sein kränklichen Bruder hoch, welcher ihn so verzweifelt und überglücklich anschaut: Keine Sekunde später findet er sich in den Armen des erschöpften Mannes wieder.

Auch die nächsten Tage merkt er, wie sein großer Bruder sich verändert hat, er verschlingt Unmengen von Essen, als hätte er seit Wochen keine richtige Mahlzeit bekommen.

Und als er sein großen Bruder zu seinen Spielzeugsoldaten führt, beginnt der urplötzlich hysterisch zu lachen. Er lacht so lange, bis er in Tränen ausbricht und ihm irgendwann die Tränen versiegen.

In der Stadt, als er ihm den neuen Spielzeugladen zeigen will, wirft sein Bruder sich plötzlich auf den Boden, als etwas mit einem lauten Knall auf den Boden fällt.

Der kleine Junge ist verwirrt und seine Lust auf Krieg vergeht ihm bei dem Anblick seines Bruders, wie dieser sich verzweifelt an die Mutter klammert, als er zurück auf den Schlachtfeld muss.

Er ist nicht mehr der große Bruder von damals.

 

Ist es nicht ironisch, dass schon allein eine Person reicht, um einen Krieg zu entfachen, aber es Millionen an Menschenleben benötigt, um ihn zu beenden?

Eine Person. Eine einzige Person in der falschen Position reicht, um zu entscheiden, dass tausende Menschen dazu verdammt sind, sich gegenseitig zu ermorden und Milliarden Menschen dazu verdammt sind, alles zu verlieren, was ihnen wichtig ist, selbst sich selbst.

 

„Frieden ist nicht alles, ohne Frieden ist alles nichts.“

 

Dieses Zitat stammt von dem ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler und ist wohl eins seiner bekanntesten Zitate.

Auf dieser Welt gibt es vieles, was sehr wichtig ist, Frieden ist nur eine Sache darunter.

Und genauso geht sie auch unter.

Jeder Mensch hat andere Probleme und solange es sie nicht persönlich betrifft, ist Frieden nur eines der vielen anderen Probleme, welche man nicht gutheißt. Dabei ist es für andere Menschen nicht einfach irgendein Problem, nein, es ist das Problem, von dem ihr Leben abhängt.

All die Probleme, welche uns oft wichtiger erscheinen, haben am Ende keine Bedeutung, wenn wir von einer Bombe in tausend Stücke zerrissen werden mit den letzten Gedanken daran, dass sich in einem anderen Land die Menschen darum ein Dreck scheren, weil sie ihre eigenen, unbedeutende Probleme haben, welche ein so wichtig erscheinen, die man selbst noch vor einiger Zeit hatte.

 

Wie ironisch, dass wir alle keinen Krieg wollen und doch alle Krieg spielen. Im Videospiel, in Filmen oder im Wettkampf. Wir Menschen scheinen einfach nicht für eine Welt ohne Krieg geschaffen zu sein. Wenn wir keinen haben, machen wir uns einen virtuellen, dabei vergessen wir, wie schrecklich er doch ist, ignorieren es einfach. Ja, wir Menschen waren schon immer sehr gut darin, Sachen zu verdrängen, welche nicht in unser Weltbild passen.

Niemand möchte sich daran erinnern, dass gerade in diesem Moment irgendwo auf dieser Welt ein armes hilfloses Kind, welches noch nichts von der Welt gesehen hat, erschossen wird, während wir gerade in unserer Badewanne sitzen ein Weihnachtsfilm schauen und einen Kakao trinken und uns nur Gedanken darüber machen müssen, was wir wohl zu Weihnachten geschenkt bekommen.

Warum sollten wir uns auch einen Gedanken daran verschwenden?

Der Krieg ist weit von uns weg, er wird uns niemals erreichen. Uns geht es gut.

 

Thomas Hobbes war 1641 der Meinung, dass die Natur des Menschen von Grund auf egoistisch ist und deswegen, um den Machtkämpfen entgegenzutreten, ein starker Staat benötigt wird. Ich finde sein Menschenbild jedoch sehr unvollständig. Ein starker Staat, welcher aus Menschen besteht, wird wahrscheinlich selbst stark egoistisch handeln. Und überhaupt davon abgesehen, die meisten Machtkämpfe werden schließlich von Politikern begonnen.

Von Politikern begonnen und von Unbeteiligten ausgetragen.

Auch wenn ich dem zustimmen muss, dass die Menschheit von Natur aus eine sehr egoistische Ader hat, finde ich im Gegenteil zu Hobbes, dass kein starker Staat sie aufhält, nein, vielmehr bin ich der Überzeugung, dass die Machtkämpfe und der Egoismus von einem starken Staat vielmehr gefördert werden können. Und mehr noch. Der starke Staat könnte sie so manipulieren, dass sie für seine Sache kämpfen.

Und die Machtkämpfe von machtvollen Personen sind soviel größer als die von den normalen Leuten.

 

Es klingelt an der Tür. Ein stattlich aussehender, muskulöser Mann steht dahinter, seine Uniform so rein, als wäre sie neu aus dem Schaufenster genommen worden. Sein Hut in der einen Hand an sein Herz gedrückt, in der anderen eine schwarze Rose und ein Brief, im Hintergrund eine klappriger Anhänger, worüber eine Plane gespannt ist, ein Arm hängt raus, so blass wie der Schnee.

Er hört, wie seine Mutter aufschreit und auf dem Boden zusammenbricht. Tränen fallen auf den Brief in ihrer Hand, welcher langsam aus dieser gleitet und auf den Boden fällt.

Er hat jetzt Frieden.

 

Was ist Frieden? Und kann es auf dieser Welt überhaupt so etwas wie Frieden geben? Jemals existieren? Selbst wenn es keinen Krieg auf dieser Welt mehr gäbe, wäre das der vollständige Frieden? Der so genannte Seelenfrieden, von dem alle sprechen? Oder hat man den nur, wenn man kurz vor dem Tod steht?

Den kompletten Frieden.

 

Der einst so lebendige junge Mann sitzt im Schützengraben. Er war hierhergekommen, um für Freiheit und Frieden zu kämpfen. Er hat sich mitreißen lassen, doch nun war er wach. Er ist so jung und doch versteht er es.

Den Krieg.

Er wollte einst Krieg spielen, jetzt will er nur noch Frieden. Seinen kleinen Bruder in seine Arme schließen, welcher noch nichts versteht und viel zu jung ist.

Er wollte nur noch irgendwo liegen.

Als wäre er tot.

Wieder knallt es laut.

Leise beginnt er zu kichern, er wird immer hysterischer, die Waffe, welche sein Leben beschützt, von der sein Leben abhängt, eng an ihn gedrückt, an sein laut pochendes Herz, während er versucht, mit offenen Augen zu weinen.

Er hat es gewusst. Er hat es gewusst.

Und absurderweise war er froh. Er war so erleichtert.

Er schließt die Augen und denkt an seine wunderbare Familie, bevor er die Waffe, welche sein Leben beschützen sollte und jetzt sein Leben nimmt, an seinen Kopf hält und seine letzte Kugel abschießt. Im selben Moment dringen feindliche Soldaten ein.

Ein letzter Knall und er war frei.

Endlich frei.

Endlich Frieden.

 

Von Lea Kutterolf

 

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